Fortuna Düsseldorfs Sportvorstand Lutz Pfannenstiel im Interview: "Ich bin nicht geholt worden, um zu träumen"

Wurde Sportvorstand bei Fortuna Düsseldorf als Tabellenletzter und feierte am Ende den souveränen Klassenerhalt: Lutz Pfannenstiel.
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Absteiger Nummer eins? Von wegen! Fortuna Düsseldorf hat sich im ersten Jahr nach der Bundesliga-Rückkehr hervorragend geschlagen und bereits Mitte April den Klassenerhalt geschafft. Im zweiten Teil des großen Interviews mit SPOX und Goal spricht Sportvorstand Lutz Pfannenstiel über die "antizyklische" Saison des Traditionsvereins, den Zoff im Winter zwischen Trainer Friedhelm Funkel und Vorstandsboss Robert Schäfer und die Ziele für die neue Saison.

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Außerdem erzählt Pfannenstiel von zwei einschneidenden Ereignissen während seiner aktiven Karriere, die ihn zu einem besseren Menschen gemacht haben. Und er erklärt, warum ihm sein Leben als Fußball-Nomade bei seiner neuen Aufgabe bei der Fortuna hilft.

Im ersten Teil des Interviews sprach Pfannenstiel mit SPOX und Goal über seine Faszination für den Afrika-Cup (Live auf DAZN) , Größenwahnsinnige, Kameruns Hetzjagd auf Claudio Caniggia und Black Magic. Hier geht's zum ersten Teil des Interviews.

Herr Pfannenstiel, als Sie als neuer Sportvorstand in Düsseldorf präsentiert wurden, war die Fortuna Tabellenletzter. Nicht unbedingt die Einstandsbedingungen, die man sich wünscht.

Lutz Pfannenstiel: Stimmt. (lacht) Aber die folgenden Monate waren dafür sportlich hervorragend.

Die Mannschaft wurde sensationell Zehnter. Und das nicht mit Mauerfußball, sondern sie überzeugte auch spielerisch. Was ist in der Winterpause genau passiert?

Pfannenstiel: Die Mannschaft musste sich einfach an das Tempo und die Intensität der Bundesliga gewöhnen. Das ist völlig normal. Unsere Saison war für einen Aufsteiger antizyklisch.

Wie meinen Sie das?

Pfannenstiel: Normalerweise gehen Aufsteiger mit einer großen Euphorie in die neue Saison, holen am Anfang viele Punkte und zum Schluss geht ihnen die Luft aus. Wir waren die etwas andere Version eines Aufsteigers.

Bedankten sich nach dem 34. Spieltag bei den Fans für ihre Unterstützung im ersten Jahr nach der der Bundesliga-Rückkehr: Die Spieler von Fortuna Düsseldorf.
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Bedankten sich nach dem 34. Spieltag bei den Fans für ihre Unterstützung im ersten Jahr nach der der Bundesliga-Rückkehr: Die Spieler von Fortuna Düsseldorf.

Ein Aufsteiger 2.0 also.

Pfannenstiel: Genau. (lacht) Wir sind nicht ideal gestartet, sind kontinuierlich reingewachsen und haben als Einheit und Mannschaft überzeugt. Das war grundsolide, mit einer guten Defensivstruktur und einem sehr schnellen und direkten Umschaltspiel mit sehr guten Konterspielern. Die Fortuna anzuschauen hat riesigen Spaß gemacht, weil die Punkte eben nicht schmutzig ergaunert oder ermauert wurden. Wir haben gegen Mannschaften wie Bremen oder Gladbach mit schönem Fußball gewonnen - und das verdientermaßen. Das wird schwer zu toppen sein.

Gerade nach der Winterpause hat die Mannschaft aufgedreht. Sie sprechen von "reinwachsen". Aber war das nicht auch eine sportliche Trotzreaktion auf das Vertragstheater zwischen dem in der Mannschaft sehr beliebten Trainer Friedhelm Funkel und Vorstandschef Robert Schäfer? Immerhin sah es kurzzeitig so aus, als würde der Erfolgstrainer nach der Saison gehen.

Pfannenstiel: Es ist ein Charakterzug der Mannschaft, dass sie sich überhaupt nicht von den internen Problemen, die nicht mannschaftsnah waren, hat aus dem Konzept bringen lassen. Die Spieler, der Trainer und auch das Funktionsteam haben ganz normal weitergearbeitet. Sie haben sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Der Sieg in Augsburg zum Rückrundenstart war etwas ganz Besonderes und wichtig für den Rest der Saison.

Es war tatsächlich eine starke Leistung in Augsburg, aber das Thema Funkel dennoch gerade an diesem Tag ständiger Begleiter.

Pfannenstiel: Ich würde es trotzdem nicht als eine Trotzreaktion der Mannschaft darstellen. Es war eine konzentrierte, professionelle Leistung. Die Mannschaft hat das gar nicht an sich herangelassen.

Die Fans hat das Thema jedoch stark beschäftigt. Im Gästeblock gab es viele Funkel-Sprechchöre - besonders nach Spielende und dem Last-Minute-Sieg.

Pfannenstiel: Was Friedhelm Funkel aus dieser Mannschaft gemacht hat, ist unglaublich. Ich ziehe meinen Hut vor ihm. Er hat die Kabine im Griff und seine väterlich sympathische Autorität ist der Schlüssel zum Erfolg.

Sie waren gerade mal wenige Wochen im Amt, standen aber gleich auch kritisch im Fokus, als es dieses Theater gab.

Pfannenstiel: Weil ich eben schon der Sportvorstand war. Es war damals eine Fehleinschätzung, die aber innerhalb von 48 Stunden begradigt wurde - am Ende stand ein toller zehnter Platz. Aus Fehlern lernt man und die Art und Weise, wie mit diesem Fehler umgegangen worden ist, war beispielhaft. Weil nichts davon hängengeblieben ist und wir die Antwort auf dem Platz gegeben haben.

Hinter den Kulissen hat es aber offensichtlich weiter gebrodelt. Robert Schäfer musste im April als Vorstandschef gehen.

Pfannenstiel: Es war letztendlich eine Entscheidung des höchsten Gremiums für einen Neuanfang.

Sie sprachen von einer Saison, die man nur schwer toppen könne. Was ist dann der Plan für die nächste Saison, wenn es eigentlich nicht mehr besser geht?

Pfannenstiel: Wir müssen mit der gleichen Spielidee, der gleichen Philosophie und dem gleichen Fußball in die neue Spielzeit gehen. Am Ende haben wir nur ein Ziel und das ist Platz 15. Die Fans dürfen gerne träumen, aber ich muss rational denken. Ich bin nicht geholt worden, um zu träumen. Ich bin geholt worden, um Strukturen und eine Basis dafür zu schaffen, dass Fortuna Düsseldorf sich mittelfristig in der Bundesliga etabliert. Es geht im Jahr zwei nur ums sportliche Überleben.

Wie sehen Sie die Chancen dafür in einer Liga mit Paderborn und Union, die ja nun auch nicht den größten Etat haben?

Pfannenstiel: Erstmal ist es zweitrangig, ob die Gegner Union Berlin und SC Paderborn oder Stuttgart und HSV heißen. Der 15. Platz ist ein sehr realistisches Ziel und ich bin davon überzeugt, dass wir es gemeinsam erreichen können.

Fortuna Düsseldorf: Abschlusstabelle 2018/19

PlatzVereinSpieleToreDiff.Punkte
10.Fortuna Düsseldorf3449:65-1644
11.Hertha BSC3449:57-843
12.1. FSV Mainz 053446:57-1143
13.SC Freiburg3446:61-1536
14.Schalke 043437:55-1833
15.FC Augsburg3451:71-2032
16.VfB Stuttgart3432:70-3828
17.Hannover 963431:71-4021
18.1. FC Nürnberg3426:68-4219

Das hört sich alles positiv an. Kein Vergleich zu den "Absteiger Nummer eins"-Aussagen vor der vergangenen Saison.

Pfannenstiel: Wir werden auf jeden Fall ernster genommen. Ich bin mir dessen bewusst, dass wir in dieser Saison uns individuell noch verbessern müssen, um unser Saisonziel zu erreichen.

Das heißt, es wird sich definitiv noch etwas tun auf dem Transfermarkt?

Pfannenstiel: Das Wichtigste ist, das Gesicht der Mannschaft zu behalten. Dann müssen wir an den richtigen Stellen punktuell mehr Qualität, aber auch die richtigen Typen reinbringen, damit diese Einheit, die uns so stark gemacht hat, bleibt. Wenn wir das schaffen, wird es auch ein gutes zweites Jahr.

Der von Watford ausgeliehene Dodi Lukebakio ist weg, Benito Raman wechselt zu Schalke 04. Damit verliert die Fortuna ihre zwei besten Torjäger der abgelaufenen Saison. Es gab außerdem viele Gerüchte um Kaan Ayhan. Das sind schon mal drei wichtige Spieler. Dazu hat sich der gerade in der Rückrunde starke Kevin Stöger in buchstäblich letzter Saisonminute das Kreuzband gerissen.

Pfannenstiel: Wir bauen natürlich weiter auf Kevin und wollen trotz der Verletzung versuchen, mit ihm zu verlängern. Bei Kaan Ayhan gehe ich davon aus, dass er bleibt. Unsere Mannschaft wird nicht auseinanderbrechen. Der Großteil des Kaders wird so zusammenbleiben. Punktuell werden wir uns verstärken, aber mehr brauchen wir gar nicht. Wir haben eine gute Truppe, die gezeigt hat, dass sie mehr als nur bundesligatauglich ist und durchaus begeisternden Fußball spielen kann. Der ganz große Umbruch wird also nicht kommen.

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