BVB-Trainingsauftakt in die neue Saison: Die Medikation geändert

Der BVB hat die Kommunikationsstrategie geändert und schlägt schon vor der Saison forsche Töne an.
© imago

Borussia Dortmund stand im Vorjahr zu zwei Drittel der Spielzeit an der Tabellenspitze, hat ziemlich zügig nach Saisonschluss über 100 Millionen Euro in vier Nationalspieler investiert und davon gesprochen, deutscher Meister 2020 werden zu wollen. Eine überraschende Abkehr von der jahrelang praktizierten und teils bis auf die Spitze getriebenen Understatement-Politik.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"Es nervt nicht, es ist nur kindisch", sagte Paul Breitner im August 2012, als er beim FC Bayern noch etwas zu sagen hatte. Borussia Dortmund ging Breitners Herzensklub, für den er damals als Berater tätig war, bereits zwei Jahre lang gehörig auf den Senkel. Zwei Meisterschaften und ein Pokalsieg gingen zu jener Zeit souverän an den BVB, doch die Schwarzgelben taten ständig so, als wäre überhaupt nichts passiert.

Die Borussia verlegte sich in diesen Jahren im öffentlichen Diskurs auf ein Understatement, das teils auf die Spitze getrieben wurde - und nicht nur für Breitner schwer zu ertragen war. Immer schön nach dem Motto: Wir, der Favorit? Nö, die Bayern haben doch viel mehr Geld. Und Ende der Diskussion.

Freilich hatte der BVB in der Anfangszeit der Ära Jürgen Klopp kaum einen triftigen Grund, um diesen überraschend erfolgreichen Weg der permanenten Tiefstapelei zu verlassen. Doch mit den Erfolgen, 2013 schaffte man den Sprung ins Champions-League-Finale (und verlor, genau, gegen die Bayern...), wuchs die (inter-)nationale Reputation und der gesamte Klub zu einem sportlichen wie finanziellen Schwergewicht heran.

Wer außer der BVB soll Bayern-Herausforderer sein?

Zweiter Leuchtturm des deutschen Fußballs wolle man dauerhaft werden, zu so viel Abteilung Attacke ließ sich BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in seiner westfälischen Unbeirrbarkeit immerhin hinreißen. Die Erfolge verstetigten sich jedoch mit den Jahren, sechs Saisons in Folge zog Dortmund in ein Finale ein.

Die gestiegenen Umsätze ließen die Budgets im Vergleich zu den Vorjahren explodieren und so steht es schon seit Jahren schwarz auf weiß, dass neben dem FC Bayern eben der BVB am meisten Geld in seine Mannschaft steckt. Wer also sonst außer der Borussia soll der legitime Herausforderer des Rekordmeisters im Kampf um die Schale sein?

Selbst im Sommer 2018, nachdem der BVB ein in vielerlei Hinsicht desaströses Jahr hinter sich hatte und dieses trotzdem mit Bundesligaplatz vier abschloss, wäre es berechtigt gewesen, diese Frage zu stellen. Dass der neu aufgestellte BVB in der vergangenen Saison dann tatsächlich aus dem Stand wieder zu alter Dominanz zurückfand und die Meisterschaft im Endspurt letztlich aus eigenem Verschulden in den Sand setzte, war natürlich kein Automatismus. Aber es war ein tabellarisches Spiegelbild der seit Jahren beinahe zementierten Einnahmen-Rangliste innerhalb der Bundesliga.

Watzke will die BVB Kommunikationsstrategie akzentuieren

"Es gibt keine andere zweite Kraft im deutschen Fußball als uns. Wir haben im gesamten Jahrzehnt nur 2018 am letzten Spieltag nicht mehr um einen Titel gekämpft," resümierte Watzke nun nach Saisonende und folgerte daraus: "Wir wollen den nächsten Evolutionsschritt machen. Ich habe mich entschieden, dass wir die Kommunikationsstrategie etwas mehr akzentuieren. Wir werden noch ambitionierter auftreten. Vielleicht muss auch ich wieder ein bisschen aggressiver sein."

Dortmunds Boss möchte, dass durch diese Änderung der jahrelang sich selbst verschriebenen Medikation "auch ein bisschen der Druck auf alle Beteiligten erhöht" wird - "natürlich, ohne in Wahnsinn zu verfallen". Und Watzke wurde noch konkreter, was die Abkehr von der bisherigen Linie, gerade zu diesem Zeitpunkt zwischen zwei Spielzeiten, noch einmal verdeutlicht: "Wir werden in die Spielzeit mit der Maßgabe gehen, dass wir ohne Wenn und Aber um die deutsche Meisterschaft spielen wollen", sagte er den Ruhr Nachrichten.

Der Paradigmenwechsel hat vor allem mit den Erfahrungen der vergangenen Saison zu tun. Lange Zeit hatte Tabellenführer Dortmund wieder abgewiegelt, bis sich die Balken bogen. Zunächst angesichts des schnellen, plötzlichen Erfolgs zu Saisonbeginn die richtige Taktik. Watzke moniert nun jedoch zu Recht, dass er die Titelambitionen "vielleicht nach dem Leipzig-Sieg Mitte Januar offensiver formulieren" hätte sollen - "aber davon hätten auch alle überzeugt sein müssen".

Neue Strategie bedeutet neuen Druck nach außen

Mit "alle" dürfte hier vor allem Dauer-Zauderer Lucien Favre gemeint sein, der zu diesem Zeitpunkt wohl weiterhin keinen Grund sah, von seiner Von-Spiel-zu-Spiel-Philosophie abzurücken. Ein weiterer Knackpunkt dürfte gewesen sein, dass man es vermeiden wollte, den Druck auf die junge, unerfahrene Mannschaft zu frühzeitig zu erhöhen.

Denn als man sich Mitte März, nach einer 1:2-Pleite beim abstiegsbedrohten FC Augsburg, schließlich doch entschied, die intern längst verabschiedete Marschroute auch nach außen zu kommunizieren (Michael Zorc: "Wenn ich am 24. Spieltag Erster bin, kann ich ja nicht zufrieden sein, wenn ich Vierter werde."), passierte unter dem Strich genau das: Das Team scheiterte im Schlussspurt an den Drucksituationen und verlor die am Ende entscheidenden drei Punkte ausgerechnet gegen eine zuvor leblos auftretende Mannschaft des Rivalen Schalke 04.

Die neue Strategie bedeutet somit vor allem, mit einem neuen Druck in der Öffentlichkeit umzugehen, mit dem man sich ab der nächsten Saison vom Fleck weg konfrontiert sehen wird. Denn im Verein selbst wird die Zielsetzung Meisterschaft ja in erster Linie von den ambitionierten Spielern selbst verfolgt.

BVB-Boss forsch: "Wann, wenn nicht jetzt?"

"In den nächsten zwei, drei Jahren muss es jetzt dann aber auch mal klappen", sagte etwa der weiterhin meisterschaftslose Kapitän Marco Reus. Welches nationale Ziel sollte man als Profi des BVB denn sonst verfolgen?

Dass Watzke nun ein "Wir wollen Meister werden!" via Bild in die Welt posaunt, hängt dazu noch mit der berechtigten Frage zusammen, die er direkt hinterher schob: "Wann, wenn nicht jetzt?" Nicht nur beim BVB wissen sie schließlich spätestens seit der Vorsaison, dass der im Umbruch befindliche FC Bayern derzeit am ehesten zu knacken ist.

Die neuen forschen Worte aus Dortmund sowie die kostspieligen und schnell nach Saisonschluss verkündeten Transfers der vier Nationalspieler Thorgan Hazard, Nico Schulz, Julian Brandt und Mats Hummels unterstreichen die Maßgabe, die Watzke schon 2015 ausgab: "Wir wollen da sein, wenn die Bayern mal schwächeln."

BVB: Das Abschneiden von Borussia Dortmund seit 2010

SaisonAbschneiden BLAbschneiden PokalAbschneiden Europacup
2009/20105.Achtelfinale-
2010/20111.2. RundeGruppenphase (EL)
2011/20121.SiegerGruppenphase (CL)
2012/20132.ViertelfinaleFinale (CL)
2013/20142.FinaleViertelfinale (CL)
2014/20157.FinaleAchtelfinale (CL)
2015/20162.FinaleViertelfinale (EL)
2016/20173.SiegerViertelfinale (CL)
2017/20184.AchtelfinaleGruppenphase (CL)
2018/20192.AchtelfinaleAchtelfinale (CL)