BVB verliert Punkte in Nürnberg: Narben nach dem Rausch

Seit fünf Pflichtspielen in Folge ohne Sieg: Die Mannschaft des BVB steckt nach der Herbstmeisterschaft "ein kleines bisschen" in der Krise.
© getty

Borussia Dortmund hat beim Tabellenletzten 1. FC Nürnberg nicht gewonnen und somit weiter an Vorsprung gegenüber dem FC Bayern München eingebüßt. In der nun fünf Pflichtspiele andauernden Sieglos-Serie zeigt sich immer mehr, wie sehr der BVB von seinem verletzten Kapitän Marco Reus abhängig ist.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Wie unzufrieden man derzeit bei Borussia Dortmund ist, zeigte sich beim enttäuschenden 0:0 gegen den 1. FC Nürnberg besonders gut an zwei Szenen. In der einen warf Jadon Sancho einen der schwarzen Tennisbälle, den die Club-Fans aus Protest gegen die Montagsspiele aufs Spielfeld geschleudert hatten, reichlich entnervt zu den Fans zurück.

In der anderen echauffierte sich die gesamte BVB-Bank reichlich lautstark, als Schiedsrichter Harm Osmers zur Pause pfiff, als wieder Tennisbälle flogen - und die Borussen eigentlich gerade im Begriff waren, einen Eckball auszuführen.

Bei den Schwarzgelben kommen momentan Gefühle auf, die die meiste Zeit der bisherigen Saison abstinent waren. Fünf Pflichtspiele lang hat der BVB nun nicht mehr gewonnen und wenn man zuvor so lange so erfolgreich spielte, dann ist es nachvollziehbar, dass sich Frust und Enttäuschung auch bei vermeintlichen Kleinigkeiten Bahn brechen.

Götze sendet BVB-Alarmsignale: "Müssen irgendwas machen"

"Es ist frustrierend von hinten zuzuschauen", gab dann auch Torhüter Roman Bürki nach der Partie zu und lieferte den Grund gleich mit: "Wir haben zwei Spiele ohne geschossenes Tor. Uns fehlt einfach die Durchschlagskraft und wir sind körperlich unterlegen."

"Wir müssen offensiver spielen und besser in den gegnerischen Sechzehner kommen. Wir hatten die eine oder andere Torchance und müssen da konsequenter sein", sagte mit Mario Götze noch einer der besseren Dortmunder an diesem Abend.

Was Götze noch hinterher schob, ist jedoch deutlich alarmierender: "Wir müssen irgendwas machen, damit etwas passiert." Diese Einschätzung steht etwas konträr zu dem, was Trainer Lucien Favre in den letzten Tagen betonte. Der Schweizer gab nämlich mit dem Brustton der Überzeugung an, nichts ändern zu wollen und riet seiner Mannschaft, so weiter zu spielen wie bisher.

"Wir haben nicht schlecht gespielt", sagte Favre auch nach der Partie beim Club und stieß damit ins selbe Horn wie Axel Witsel. Der Coach ist in der Krise, die den BVB nun endgültig erfasst hat, erkennbar um Normalität bemüht: "Das gehört dazu. Es ist manchmal so in einer Saison. Es hat wenig gefehlt."

BVB fehlt Kapitän Marco Reus: Zu viel des Guten?

Auch Favre liegt mit seiner Einschätzung nicht vollkommen verkehrt. Denn blickt man auf die fünf sieglosen Pflichtspiele, kam der BVB in Frankfurt zu ausreichend guten Tormöglichkeiten und tat dies auch beim Aus im DFB-Pokal gegen Bremen sowie beim Drei-Tore-Niedergang gegen Hoffenheim, wo insgesamt sechs Treffer glückten.

Doch verglichen mit den zuvor über weite Teile der Spielzeit gezeigten (Offensiv-)Leistungen ist bei Dortmund immer mehr eine Idee- und Harmlosigkeit auszumachen. Und so mag derzeit nur wenig fehlen, doch wenn das Wenige auf den Namen Marco Reus hört, ist das schon wieder (zu) viel.

Dass die Borussia eine Schippe besser ist, wenn Reus mitspielt, ist kein ausschließlich in dieser Saison zu bestaunendes Phänomen. Wenn aber auf den lang anhaltenden Rausch mit Reus ein nun bereits fünf Spiele währender Kater ohne Reus folgt, dann steht dies zweifelsfrei im Zusammenhang.

Es ist daher schon die Abhängigkeit von Reus, mit der die momentane Schwächephase des BVB auch zu erklären ist. Und sie betrifft nicht nur dessen herausragende Fähigkeiten als Fußballer. Auch in seiner seit diesem Sommer bekleideten Rolle als Kapitän ist der in seiner Persönlichkeit gewachsene Reus der Anker auf dem Feld für das junge Dortmunder Team, der Halt und Struktur, aber auch entscheidende Prozentpunkte an Emotionalität verleiht.

Ohne Reus gelangen zwar drei Treffer gegen Hoffenheim, wie sehr die Zielstrebigkeit im letzten Drittel ohne ihn leidet, ist zuletzt jedoch augenscheinlich geworden. Der BVB variiert ohne ihn das Tempo viel seltener, gleiches gilt für die Bewegungen in die Tiefe. Dortmunds Offensivbemühungen sind ausrechenbarer geworden, auch weil Selbstverständlichkeit und letzte Überzeugung im Spielvortrag fehlen.

BVB-Statistik in der Bundesliga mit und ohne Marco Reus

KategorieBVB mit ReusBVB ohne Reus
Spiele193
Siege141
Unentschieden42
Niederlagen10
Tore pro Spiel2,61,3
Gegentore pro Spiel1,11,0
Siegquote73,7 Prozent33,3 Prozent
Punkte pro Spiel2,41,7

BVB in der Sieglos-Serie: "Seelenklempner" Favre ist gefordert

"Marco Reus über einen längeren Zeitraum zu kompensieren, ist extrem schwer für uns. Wir hatten insgesamt immer wieder die Notwendigkeit, Positionen zu wechseln und zu rotieren - nicht nur im Offensivbereich", sagte BVB-Lizenzspielerleiter Sebastian Kehl.

Zwar sind der weiterhin jungen Mannschaft Willen und Bemühen selbst ohne den Spielführer nicht abzusprechen. Doch nun kommt erstmals auch die Psyche ins Spiel - und diese Tatsache hemmt das Team genauso wie jene, dass man zuletzt aufgrund von Verletzungen schwer durcheinander geschüttelt wurde.

Auch in der Hinrunde sei bei weitem nicht alles perfekt gewesen, gab Favre vor der Partie in Nürnberg sinngemäß zu bedenken. Niemand habe damals etwas gesagt, weil eben die Ergebnisse stimmten. Aber "jetzt ist es passiert, ich habe das immer gesagt", äußerte der Trainer fast schon schelmisch.

Mit "Arbeit, Arbeit, Arbeit" wolle er dagegen angehen, doch Favre ist in der aktuellen Sieglos-Serie auch erstmals ein wenig als Seelenklempner gefordert. Denn die jüngsten Negativerlebnisse haben bei der im Sommer neu formierten Truppe Narben hinterlassen - die sich womöglich nur dann überdecken lassen, wenn Führungsspieler wie Reus, Lukasz Piszczek oder Manuel Akanji wieder an Bord sind.

Artikel und Videos zum Thema