Gladbachs Patrick Herrmann im Interview: "Psychisch war das eine extrem harte Nummer"

Patrick Herrmann hat mit Borussia Mönchengladbach neben zahlreichen Höhepunkten auch Durchhänger erlebt.
© getty

Patrick Herrmann spielt seit beinahe zehn Jahren bei Borussia Mönchengladbach und ist einer der dienstältesten Spieler im Kader. Im Interview spricht der 27-Jährige über die Entwicklung des Vereins von der Relegation bis in die Champions League, emotionale Highlights und psychische Tiefpunkte sowie die fehlende Konstanz der Fohlen in der aktuellen Saison.

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SPOX: Herr Herrmann, im Interview mit uns vor fünf Jahren haben Sie gesagt, Sie könnten den ewigen Vergleich mit Marco Reus nicht mehr hören. Gibt es denn heutzutage auch eine Frage, auf die Sie allergisch reagieren?

Patrick Herrmann: Eigentlich nicht. Die Frage nach Marco damals war ja auch nicht so schlimm. Aber wenn man das 100-mal hört, nervt es einfach irgendwann. Er ist ein Ausnahmespieler und meiner Meinung nach einer der besten der Welt. Da ist es nicht förderlich, mit ihm verglichen zu werden. Aber heute können Sie in kein Fettnäpfchen treten.

SPOX: Erst auf den zweiten Blick können Sie mit Ihrem Bruder Pascal verglichen werden. In einem Youtube-Video des Borussia-Kanals haben Sie gesagt, Sie seien glücklich, dass Sie keine eineiigen Zwillinge sind. Warum?

Herrmann: Wenn der Bruder ganz genauso aussieht wie man selbst, ist das doch komisch, oder? Natürlich hat es Vorteile, wenn man in der Schule verwechselt oder einem ein Knöllchen zugeschickt wird. Aber ansonsten bin ich ganz froh, dass wir uns nicht allzu ähnlich sehen.

SPOX: Immerhin hatten Sie in der Kindheit stets einen Spielpartner.

Herrmann: Wir immer zusammen oder gegeneinander gekickt, ob auf dem Fußballplatz oder bei uns hinter dem Haus. Das hat auf jeden Fall unseren Ehrgeiz, aber auch unser Miteinander gefördert. Er war auch sehr talentiert.

SPOX: Ab wann ging die Schere auseinander?

Herrmann: Als wir in unserem Heimatverein, dem FC Uchtelfangen, gespielt haben, waren wir beide gleich begabt. In der D-Jugend bin ich nach Saarbrücken gewechselt. In dieser Zeit geht es los mit Stützpunkttraining, die freien Wochenenden werden seltener und der Zeitaufwand höher. Er hat seine Prioritäten eher auf Freunde gelegt und war häufiger unterwegs. Man muss als Jugendlicher auf viel verzichten, wenn man es schaffen will. Dazu war nur ich bereit. Das war der ausschlaggebende Grund, warum es in zwei Richtungen gegangen ist.

SPOX: Haben die unterschiedlichen Wege Ihr Verhältnis gestört?

Herrmann: Der Kontakt war immer super. Natürlich war es ein krasser Schritt, als ich mit 17 Jahren nach Mönchengladbach gewechselt bin. Wir hatten zu Hause immer alle unter einem Dach gewohnt. Für mich war das keineswegs einfach und ich glaube auch für ihn nicht. Aber wir haben beide unseren Weg gemacht.

SPOX: Ihr Weg liegt seit beinahe zehn Jahren in Mönchengladbach. Sie haben die Entwicklung der Borussia mitbekommen wie kaum ein anderer im aktuellen Kader. Was hat sich strukturell in den vergangenen Jahren am meisten verändert?

Herrmann: Alleine das Erscheinungsbild des Geländes hat sich seit 2008 enorm gewandelt. Hier gegenüber war noch Wald, die Infrastruktur war nicht ansatzweise die von heute. Es wird ein neues Internat gebaut, vor dem Stadion entsteht ein riesiges Hotel, der Fohlenplatz war noch nicht da. Es ist beeindruckend, wie sich der Verein weiterentwickelt hat. Aber auch ich mich selbst.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Herrmann: Es kommt mir noch gar nicht so lange vor, dass ich hier ins Internat gezogen bin. Auf einmal war ich Fußballprofi, hatte eine eigene Wohnung, bin reifer geworden und habe mir mein komplettes Leben aufgebaut. Irgendwann war ich in der Mannschaft nicht mehr der Kleine und mein Wort hatte in der Kabine mehr Gewicht. Mittlerweile habe ich über 200 Bundesligaspiele gemacht ...

SPOX: ... als erster Borussia-Spieler in den 2000ern. Fühlen Sie sich selbst als wichtigen Teil der Vereinshistorie?

Herrmann: Auf jeden Fall. Die Neuzeit nach dem Aufstieg über Relegation bis zu Champions und Europa League habe ich mitgeprägt. Diese Erfahrungen kann mir keiner mehr nehmen. Es war ein Traum von jedem, im Borussia Park Champions League zu spielen, aber vor zehn Jahren war das noch undenkbar.

SPOX: Wie wichtig sind für so eine Entwicklung Rückschläge wie die zwei verlorenen Pokalhalbfinals oder die verpasste Champions-League-Qualifikation 2012?

Herrmann: Gerade die beiden Pokalspiele sitzen immer noch tief. Zweimal kurz vor Berlin im Elfmeterschießen zu verlieren, ist extrem bitter. Frankfurt war die schlimmste Niederlage meiner Karriere. Aber die Kurve geht eben nicht immer nur steil nach oben. Im Fußball ist es normal, dass es Durchhänger gibt. Hätte uns vor zehn Jahren jemand die jetzige Situation angeboten, hätte jeder sofort unterschrieben.

SPOX: Sind Sie ein Typ, der darüber häufig reflektiert?

Herrmann: Zu Hause in einer ruhigen Minute denke ich regelmäßig und auch gerne darüber nach, wie sich alles entwickelt hat. Alle Highlights und Rückschläge haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin.