"Die haben den Fußball doch nicht verstanden"

Marcell Jansen spielte jahrelang für den HSV
© getty

Marcell Jansen bestritt in seiner Karriere 242 Bundesliga-Spiele und lief 45 Mal für die deutsche Nationalmannschaft auf. In der Jugend von Borussia Mönchengladbach ausgebildet, landete er über die Zwischenstation FC Bayern beim HSV. Nach sieben Jahren beim Dino beendete der Linksverteidiger bereits mit 29 Jahren seine Karriere. Im Interview spricht der heute 31-Jährige über die turbulente Zeit in Hamburg, sein frühes Karriereende und das Thema Geld.

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SPOX: Herr Jansen, Sie haben vor wenigen Wochen mit Steffen Henssler ein Restaurant eröffnet. Wie kam es zu dieser Idee?

Marcell Jansen: Nach meiner aktiven Zeit habe ich mich intensiv mit dem Thema Ernährung beschäftigt und wollte ein Restaurant mit gesundem Essen eröffnen. Deshalb bin ich auf Steffen zugegangen, mit dem ich gemeinsam für die HSV-Stiftung "Hamburger Weg" aktiv war. Herausgekommen ist unser Pilot namens Ben Green mit dem Motto "Fast Food kann auch Good Food sein".

SPOX: Außerdem betreiben Sie ein Sanitätshaus und engagieren sich bei verschiedenen ehrenamtlichen Projekten.

Jansen: Ich langweile mich zumindest nicht. (lacht) Die meisten Projekte begleite ich seit Jahren mit viel Herzblut. Daneben betreibe ich mit zwei Partnern eine kleine Beteiligungsgesellschaft, mit der wir in verschiedene Unternehmen aus dem Bereich Sport, Lifestyle und Gesundheit investieren. Seit meiner Jugend habe ich immer versucht, mich so breit wie möglich aufzustellen und mich nicht nur auf Fußball zu konzentrieren. Deshalb habe ich mir im höheren Jugendbereich ein Ultimatum von zwei Jahren gestellt.

SPOX: Und dann hätten Sie das Projekt Fußball für beendet erklärt?

Jansen: Ich hatte keine Angst vor dem normalen Leben. Ich wollte nicht jahrelang herumeiern und hätte dann ein paar Ligen weiter unten gespielt und eine Ausbildung angefangen. Anfangs stand meine Karriere auch tatsächlich auf der Kippe: Ich war drei, vier Mal bei den Profis dabei, dann gab es immer wieder einen Trainerwechsel und zack war ich weg. 2004 durfte ich endlich für Gladbach mein Debüt geben, danach verlief meine Karriere sehr stringent.

SPOX: Wie schwierig ist es, als junger Mensch den ersten angebotenen Vertrag vernünftig einschätzen zu können?

Jansen: Das ist unmöglich. Zum Glück hatte ich mit Gerd vom Bruch von Anfang an einen verantwortungsbewussten Berater, dem ich meine gesamte Karriere blind vertrauen konnte. Das ging so weit, dass er ohne mein Beisein mit den Vereinen verhandelt hat.Vielleicht hätten wir hie und da noch den einen oder anderen Euro herausquetschen können, aber mir war die Lebensqualität immer sehr wichtig. Alle Seiten müssen zufrieden sein und als Spieler muss man zu seinem Vertrag stehen und kann nicht ein Jahr später plötzlich komplett neue Konditionen verlangen.

SPOX: Ihr sportlicher Aufstieg führte Sie 2007 nach 14 Jahren bei den Fohlen zum FC Bayern. Dort erlebten Sie mit dem Double sportlich gesehen die erfolgreichste Zeit und Sie standen trotz monatelanger Verletzung wettbewerbsübergreifend 33 Mal auf dem Platz. Das hatte nicht jeder so erwartet...

Jansen: Ottmar Hitzfeld wollte mich unbedingt haben und im ersten Jahr war ich in meiner verletzungsfreien Zeit unangefochtener Stammspieler. Die kritischen Stimmen haben mich zwar gewundert, aber diese "Expertenmeinungen" waren für mich nie ein großes Thema, weil ich den Wechsel für mich selbst gemacht habe.

SPOX: Als Jürgen Klinsmann 2008 übernahm, wechselten Sie zum HSV. Wie schwer fiel der Abschied bei all den sportlichen Erfolgen?

Jansen: Als mit Ottmar meine Bezugsperson die Bayern verließ und die zweite Saison nicht so erfreulich anlief, habe ich mich für einen Wechsel entschieden. Ich war immer auf der Suche nach der richtigen Mischung aus persönlichem Ehrgeiz und Spaß. Titel alleine machen nicht glücklich, echten Erfolg muss man sich außerhalb vom Fußball holen.

SPOX: Also spielte die Stadt Hamburg eine große Rolle?

Jansen: Der HSV war auch deshalb der richtige Schritt, weil meine Familie viel näher wohnte und die Stadt schnell zu meinem Zuhause wurde. Damals hatte der HSV auch noch eine andere Ausstrahlung. Wir standen zwei Mal im Halbfinale der Europa League und mit der Nationalmannschaft wurde ich Vize-Europameister. Aber gerade in der Zeit, in der es nicht richtig lief, lernt man viel. Läuft sportlich alles rund, verfällt man relativ schnell dem Irrglauben, dass man alles richtig macht.

SPOX: Sie haben beim HSV sowohl das EL-Halbfinale erlebt als auch den Absturz bis hin zur Relegation. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Jansen: Nach meinem zweiten Jahr ist der Verein auseinandergebrochen, Verantwortliche haben sich zerstritten und es wurde mit jedem Jahr komplizierter. Leider hat sich in der Folge kein Team entwickelt, das den alten Mythos HSV wiederaufleben lassen konnte. Du brauchst viele starke Persönlichkeiten, die aber so reflektiert sind, dass sie sich in den Dienst des Gesamtmodells stellen. Erschwerend kam dazu, dass auch auf der Trainerbank keine Ruhe einkehrte. Mich hat es beeindruckt, dass die Stadt und die Fans weiterhin hinter dem Verein standen. Da ich selbst ein sehr loyaler Mensch bin, bin ich dem HSV treu geblieben.

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