BVB - Ex-Torhüter Johannes Focher vom RSV Meinerzhagen im Interview: "Was wir gespielt haben, war eindeutig Nuris Handschrift"

Johannes Focher (3.v.l.) stand insgesamt dreimal im Spieltagskader der BVB-Profis.
© IMAGO / MIS

Insgesamt neun Jahre kickte Johannes Focher für den BVB, ehe er mit 25 Jahren seine Profikarriere beendete und ein Studium begann. Heute spielt der Torhüter wieder - beim von Nuri Sahin unterstützten RSV Meinerzhagen in der Oberliga Westfalen.

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Im Interview mit SPOX und Goal spricht Focher unter anderem über die Gründe, weshalb er wieder mit dem Fußballspielen begonnen hat und wie sehr ihn die Leidenschaft von Sahin für dessen Heimatverein begeisterte.

Herr Focher, vor fünf Jahren haben Sie im SPOX-Interview erklärt, warum Sie als Torhüter der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund mit 25 Jahren Ihre Karriere beendet und ein Studium in Bochum begonnen hatten. Dieses Interview wurde bei uns 2016 am häufigsten aufgerufen.

Johannes Focher: Ernsthaft?

Ja.

Focher: Wow, das hätte ich nicht gedacht! Ich wurde im Laufe der Zeit tatsächlich immer mal wieder darauf angesprochen. Vielleicht lag es an diesem Gespräch, dass ich nach dem Ende meiner Profikarriere mehr Interviews geben musste als zuvor. Heißt also, ich muss jetzt wieder liefern, oder? (lacht)

Der Druck ist da! Spaß beiseite: Mittlerweile spielen Sie wieder im Amateurbereich, seit 2018 stehen Sie beim von Nuri Sahin unterstützten RSV Meinerzhagen in der Oberliga Westfalen im Tor. Wie lange haben Sie es wirklich ohne Fußball ausgehalten?

Focher: Offiziell war ich zweieinhalb Jahre ohne Mannschaft. In Bochum gab es aber ein Uni-Team, das einen Torwart suchte, wie mir von den vielen Sportstudenten in meinem Freundeskreis zugetragen wurde. Ich ging dann dort mal mit einem Freund zum Training. Das Team hatte im Jahr zuvor die deutsche Meisterschaft gewonnen und sich dadurch für die EM in Kroatien qualifiziert. Anschließend fragte man mich, ob ich nicht Lust hätte, mitzufahren - und dann habe ich das gemacht. Das war eine sehr lässige Truppe aus Oberliga- und teils Regionalligaspielern. Wir hatten eine gute Zeit, auch wenn das Finale leider verloren ging.

In unserem damaligen Interview sagten Sie von sich, "nie der größte Fußball-Fan mit hoher Leidenschaft" gewesen zu sein. Wie empfinden Sie heute?

Focher: Zu dieser Aussage stehe ich noch immer. Es gibt zu viele Themen, die mich außerhalb des Fußballs interessieren und beschäftigen. Meine Intention war damals, mich beruflich anders aufzustellen, da abzusehen war, dass ich im Profifußball nicht erfolgreich sein werde. Es war mir wichtig, einen klaren Schnitt zu machen. Wäre ich irgendwie mit einem Bein noch in der Profikarriere gesteckt, hätte ich das Studium nicht geschafft. Nach zweieinhalb Jahren und fortschreitendem Studium war der Schnitt auch mental längst geschafft, so dass ich mich wieder einem Verein anschloss.

Und zwar dem FC Kray zur Rückrunde der Saison 2016/17. Dort standen Sie siebenmal im Kasten und stiegen schließlich aus der Oberliga Niederrhein ab. Wie sind Sie dort gelandet?

Focher: Durch Zufall. Ich war mit dem Krayer Kapitän, der ein Freund von mir ist, und ein paar Spielern auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt. Der Trainer war auch dort und redete auf mich ein. Ich habe viermal Nein gesagt, weil das mit meinem damaligen Praktikum in einer Investmentbank in Düsseldorf zeitlich gar nicht zusammenpasste. Letztlich ließ ich mich weichklopfen, was etwas naiv war. Ich war aufgrund des körperlichen Kaltstarts gar nicht in der Lage, Leistung zu bringen, so dass ich am Ende mehr verletzt war als dass ich gespielt habe.

Wie sieht es denn mit dem Studium aus, ist das mittlerweile abgeschlossen?

Focher: Nach meinem Bachelor, den ich 2019 in Wirtschaftswissenschaften abschloss, fing ich mit dem Master in Münster in Finanz- und Rechnungswesen an. Der dauert noch ein Semester, Anfang April bekomme ich das konkrete Thema meiner Masterarbeit. Im September bin ich fertig.

Johannes Focher (3.v.l.) stand insgesamt dreimal im Spieltagskader der BVB-Profis.
© IMAGO / MIS
Johannes Focher (3.v.l.) stand insgesamt dreimal im Spieltagskader der BVB-Profis.

Wohin soll es danach beruflich gehen?

Focher: Das kann ich noch nicht genau sagen. Der Finance-Bereich ist breit gefächert und ich bin durch meine diversen Praktika, die ich neben dem Studium absolviert habe, ganz gut aufgestellt. Auch mein Fußballhintergrund wurde bislang meist positiv gesehen. Ich kann mir daher vorstellen, ins Management im Sportbereich oder Richtung Bankenwesen zu gehen.

Hat Sie das seit sechs Jahren andauernde Studium mit all seinen Begleitumständen als Mensch verändert?

Focher: Ja, ich glaube schon, dass ich mich extrem weiterentwickelt und gerade auch zwischenmenschlich viel gelernt habe. Ich bin seitdem auch sehr viel mit Freunden gereist, mit dem Wohnmobil quer durch Osteuropa und solche Sachen. Mir wurde klar, was man im Leben alles leisten kann und muss. Auf diesen Entwicklungsprozess bin ich auch stolz.

Nachdem der Abstieg mit Kray feststand, blieben Sie in der Oberliga und schlossen sich im Oktober 2017 für den Rest der Saison dem ETB Schwarz-Weiß Essen an. Wie lief es dort für Sie?

Focher: Mit Kray hatten wir in der Vorsaison das Essener Stadtderby gegen den ETB mit 0:3 verloren, aber ich scheine eine gute Figur abgegeben zu haben. Der Torwarttrainer rief mich dann im Sommer an, sie könnten einen Keeper gebrauchen. Ich sagte zu und war erst im Dezember spielberechtigt, die Regularien der Sperre habe ich immer noch nicht verstanden. Ich war Stammtorhüter und wir haben mit Platz sechs eine tolle Saison gespielt. Das Uhlenkrugstadion mit seinem Naturrasen war sehr traditionell und richtig cool.

Trotzdem verließen Sie den ETB im Sommer wieder und gingen eine Liga tiefer zu Westfalenliga-Aufsteiger Meinerzhagen.

Focher: Ich wusste gar nicht, dass der RSV dreimal in Folge aufgestiegen und sehr ambitioniert war. Der Kontakt kam über meinen Freund Jonas Ermes zustande. Wir beide waren damals die Torhüter der Bochumer Uni-Mannschaft. Er spielte in Meinerzhagen, hörte aber auf und fragte daher bei mir nach.

Irgendwann dürfte auch Nuri Sahin ins Spiel gekommen sein, den Sie ja noch von der gemeinsamen Zeit beim BVB kannten.

Focher: Genau. Eines Tages rief Nuri an, erzählte mir von seiner Vision und wie er Fußball spielen möchte. Es war erstaunlich, wie sehr er dafür brannte, seinen Heimatverein zu unterstützen und dort seine ersten Erfahrungen als Trainer zu machen. Ich war regelrecht begeistert von Nuris Professionalität und Leidenschaft. Es wurden zudem noch weitere mir bekannte Spieler verpflichtet. Ich dachte, das könnte sportlich wie menschlich eine echt tolle Sache werden. Nun ist zwar Corona dazwischengekommen, doch es war die absolut richtige Entscheidung und bisher wirklich klasse.

Wie oft war Sahin noch vor Ort, bevor er vergangenen Sommer in die Türkei zu Antalyaspor wechselte?

Focher: Als er noch beim BVB spielte, war er sehr häufig beim Training dabei. Er war zwar nicht der Cheftrainer, aber hat das Training oft geleitet und das auch häufiger als ich dachte. Nachdem er zu Werder Bremen ging, kam er ab und zu noch zu den Spielen am Sonntag. Letztlich war das, was wir gespielt haben, eindeutig seine Handschrift.

Wie sieht die genau aus?

Focher: Wir legen sehr viel Wert darauf, uns durch gepflegtes Kurzpassspiel Torchancen zu erarbeiten und nicht wie es in diesen Ligen meist der Fall ist, auf lange Bälle, den Zufall und Fehler des Gegners zu gehen. Wir hatten daher sehr viel Ballbesitz, das war einzigartig für die Westfalen- und später Oberliga. Es hat allen enorm viel Spaß gemacht, diesen spielerischen Ansatz strategisch und strukturiert im Training zu erarbeiten. Ich bin von Nuris Fähigkeiten als Trainer sehr angetan und ein absoluter Fan. Er profitiert natürlich von der immensen Erfahrung aus seiner Karriere, aber paart sie mit dem Talent, mit Menschen umgehen zu können.

Und nun meldet er sich eben aus der Türkei?

Focher: Ja. Wir hatten erst kürzlich einen Zoom-Call mit ihm. Man muss sich ja auch als Mannschaft zwischendurch sehen und den Kontakt halten. Die Verantwortlichen und er halten uns auf dem Laufenden, wie und ob es mit der Saison und dem Training weitergeht.

Ex-BVB-Torwart Johannes Focher: Seine Karriere-Statistiken im Überblick

VereinPflichtspieleGegentoreZu-Null-Spiele
Borussia Dortmund U19415910
Borussia Dortmund U237110417
SK Sturm Graz24344
FC Kray7141
ETB Schwarz-Weiß Essen16274
RSV Meinerzhagen353516
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