Formel 1 - Jubiläums-GP: Das Verhältnis zwischen Vettel und Ferrari mutiert zur Schlammschlacht

Von Christian Guinin
Sebastian Vettel wird Ferrari am Ende der Saison verlassen.
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Nach einem erneut enttäuschenden zwölften Platz beim 70-jährigen Formel-1-Jubiläums-Grand-Prix in Silverstone übt Ferrari-Pilot Sebastian Vettel heftige Kritik an der Strategie seines Teams. Was anfangs der Saison noch größtenteils intern ausdiskutiert wurde, mutiert immer stärker zu einer Schlammschlacht zwischen Fahrer und Rennstall.

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Pressestimmen: "Vettel kommt aus dem schwarzen Loch nicht mehr heraus"

Manchmal sagt Stille mehr als es tausend Worte könnten. Bereits in der vergangenen Woche schwieg Sebastian Vettel nach dem Überqueren der Ziellinie mehrere Sekunden lang am Funk. Erst als sein Renningenieur Riccardo Adami ihn um einen Teamradio-Check bat, antwortete Vettel und beteuerte mit bedrückter Stimme, alles gegeben zu haben. "Ich habe vieles versucht, aber nichts hat funktioniert. Ich hatte große Probleme mit dem Auto. Trotzdem: guter Boxenstopp", hatte er da noch gesagt.

Sieben Tage später fiel Vettels Reaktion nach Rennende extremer aus. In der Inlap sagte der Heppenheimer kein einziges Wort und stieg ohne weitere Kommunikation mit dem Team aus seinem Ferrari aus. Erst im anschließenden Interview ließ er seiner Wut freien Lauf. "Wir hatten über die Situation gesprochen, wenn es genau dazu kommt, das nicht zu machen. Und wir haben das dann gemacht. Es gab also keinen Grund (zum Boxenstopp Anm. d. Red.) reinzukommen.", schimpfte Vettel bei Sky über seine Strategie.

"Dann haben wir einen harten Reifen aufgezogen, den wir nur für ungefähr zehn Runden drauf hatten - wahrscheinlich nicht einmal das. Das hat keinen Sinn ergeben. Warum sollte man den Hard für zehn Runden aufziehen und dann für 20 Runden den Medium?", winkte er ab. "Ich denke, ich hatte noch genug Speed, um draußenbleiben zu können. Die Gruppe, auf die ich aufgelaufen bin, fuhr genau die gleichen Zeiten wie ich mit den alten Reifen vorher."

Sebastian Vettel drehte sich gleich in der ersten Runde des Rennens.
© imago images / Poolfoto
Sebastian Vettel drehte sich gleich in der ersten Runde des Rennens.

Ferraris Strategie ruiniert Vettels Rennen

Dass sich Ferrari eine klare Rollenverteilung unter seinen beiden Piloten wünscht, ist nichts Neues. Seit jeher gibt es im italienischen Traditionsteam einen Nummer-1-Fahrer, der in rennstrategischen Situationen meist bevorzugt wird, und einen "Wasserträger", also jemanden der möglichst für die Nummer eins fahren soll, um diesem ein unbeschwertes Rennen zu ermöglichen. Auch beim Jubiläums-GP in Silverstone machte die Scuderia von dieser Taktik Gebrauch, als sie den langsameren Vettel zugunsten von Charles Leclerc an die Box holten, um den Monegassen auf einfachstem Weg am Deutschen vorbei zu lotsen.

Das Ergebnis war ein viel zu früher Stopp Vettels, der ihn in den Verkehr zurückfallen ließ und alle Aussichten auf ein gutes Ergebnis zunichte machte. Sicher hatte der Heppenheimer mit seinem selbstverschuldeten Dreher in Runde eins auch Anteil an seinem schlechten Abschneiden, wieso Ferrari Leclerc aber nicht einfach im Renntrimm an ihm vorbei winkte, erschließt sich nicht. Dementsprechend deutlich fiel die Kritik Vettels nach Rennende aus und gab Einblicke in ein zerrüttetes Verhältnis, das immer mehr zu einer Schlammschlacht mutiert.

Mattia Binotto: "Insgesamt die richtige Entscheidung"

Nahmen sich Vettel und Ferrari anfangs der Saison, trotz schlechter Leistungen, bei Fehlern nämlich noch gegenseitig in Schutz, wird der Ton zwischen beiden Parteien von Rennen zu Rennen immer rauer. Scuderia-Teamchef Mattia Binotto sah nach dem Rennen die Schuld klar bei Vettel und nahm stattdessen seine Strategie-Abteilung in Schutz.

"Das hat es Charles ermöglicht, weiter nach vorne zu kommen. Insgesamt war er die richtige Entscheidung für das Team, und wir denken nicht, dass Sebastian dadurch einen Nachteil hatte", so Binotto. "Er hat sofort wieder auf Kimi aufgeholt, und gegen Kvyat hätte er sowieso keinen Overcut geschafft. Sein Rennen wurde zu Beginn eher durch den Dreher beeinträchtigt als durch die Wahl der Strategie."

Auch Sky-Experte Ralf Schumacher sah die Schuld vornehmlich beim Deutschen. "Es sieht nach einem Fehler von ihm aus. Er hat Angst davor, zu kollidieren und ist auf den Randstein drauf. Klar ist das beim Start immer schwer abzuschätzen. Der Start an sich war ja nicht schlecht. Er fährt aber auch viel zu spitz rein und dafür gibt es eigentlich keine Notwendigkeit", sagte Schumacher. "Dann bricht das Auto ganz komisch aus. Ich kann es mir fast nur erklären, dass auf dem Randstein etwas passiert ist. Er dreht sich aber fast wie von allein. Nicht absichtlich, nur sieht es natürlich wieder sehr unangenehm aus für ihn."

Vettel und Ferrari: Versöhnlicher Abschied oder unwürdiges Ende?

Dass die Scuderia sich voll und ganz auf Leclerc fokussiert ist nur verständlich. Im zweifelsohne sehr talentierten Monegassen liegen die Hoffnungen der Roten auf zukünftige WM-Titel, wohingegen das Kapitel Vettel nach der Saison enden wird. Der SF1000 scheint voll und ganz auf den Fahrstil Leclercs abgestimmt zu sein, anders ist der teilweise gewaltige Rückstand des Deutschen auf seinen Teamkollegen nicht zu erklären. Auch Vettel selbst wird nicht müde zu betonen stets alles zu geben.

Nichtsdestotrotz: Eigenwerbung sieht anders aus. Zu einem Saison-Zeitpunkt, zu dem der Fahrermarkt so richtig in Schwung kommt und über die Vergabe der letzten Cockpits für 2021 diskutiert wird, sieht Vettel (auch wegen Ferrari) nicht immer gut aus. Die, in der vergangenen Woche aufgekommenen, Gerüchte über eine Einigung mit Aston Martin kühlten sich schnell ab.

Noch maximal vier Monate, dann wird Vettel Ferrari verlassen. Ob es ein versöhnlicher Abschied oder ein unwürdiges Ende wird, ist noch nicht abzusehen. Zumindest derzeit tun beide Parteien alles dafür, ihm es nicht allzu schwer zu machen.

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