Formel 1 - Kommentar zu Hamiltons 6. WM-Titel: Nur mäßig beeindruckend

Lewis Hamilton ist nun sechsmaliger Formel-1-Weltmeister.
© getty

Lewis Hamilton ist nach dem Großen Preis der USA zum sechsten Mal Formel-1-Weltmeister und damit nur noch einen Titel von Rekordhalter Michael Schumacher entfernt. Der Mercedes-Pilot fuhr in dieser Saison nahezu fehlerlos, beeindrucken konnte er aber nur bedingt. Schuld daran hat die Konkurrenz. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Dominik Geißler.

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Als Lewis Hamilton 2015 das erste Mal den Titelgewinn in den USA perfekt machte, folgte noch vor der Siegerehrung das sogenannte "Cap-gate". Der Engländer warf damals seinem Erzfeind Nico Rosberg die Cap mit der Nummer "2" zu. Dieser packte die Mütze und pfefferte sie - gebeutelt von der gerade erlittenen Niederlage - wortlos zurück.

Eine Aktion, die für Rosberg einen Wendepunkt in seiner Karriere darstellen sollte. Er gewann saisonübergreifend die nächsten sieben Rennen und ein Jahr später die Weltmeisterschaft.

Anno 2019 blieb der große Konflikt mit dem Teamkollegen aus. Natürlich, denn im zweiten Mercedes sitzt neben Hamilton schon lange nicht mehr der Rivale seit Kindheitstagen, sondern Valtteri Bottas. Ein Mann, der Hamilton weder abseits noch auf der Strecke ernsthaft herausfordert.

Das war 2017 und 2018 genauso wie in diesem Jahr - trotz Bottas' furiosem Saisonstart mit zwei Siegen und drei zweiten Plätzen in den ersten fünf Rennen. Doch dem Finnen fehlt die Konstanz. Besonders im Renntrimm erreicht er fast nie das Niveau von Hamilton und ist damit nicht mehr als ein Nummer-zwei-Fahrer.

Mercedes und Ferrari helfen Lewis Hamilton

Ein Fakt, der für den neutralen Zuschauer langweilig ist, von Mercedes aber genau so gewünscht ist. Die Silbernen wollen keinen Krieg der Sterne 2.0, sondern einen soliden Punktelieferanten, der nebenbei Hamilton das Leben möglichst einfach macht. Eine Strategie, die aufgeht und damit im Gegensatz zu Ferrari steht.

Die Scuderia hat mit Sebastian Vettel und Charles Leclerc zwei etwa gleich starke Fahrer auf ihrer Seite, die mit ihrem internen Kampf in diesem Jahr für zahlreiche Schlagzeilen sorgten und sich gegenseitig die Punkte wegnahmen.

Weil Ferrari dann auch noch in der ersten Saisonhälfte ein verhältnismäßig schlechtes Auto an den Start stellte (genau wie Red Bull übrigens, das nur in Ausnahmefällen siegfähig war), hatte Hamilton noch leichteres Spiel.

Lewis Hamilton muss nicht ans Limit gehen

Nur selten musste der 34-Jährige an sein Limit gehen. Glänzen? Brillieren? Konnte und musste er kaum einmal. Es genügte, wenn Hamilton seinen Rennstiefel durchzog und erst mit einem überlegeneren Auto als jemals zuvor von Sieg zu Sieg fuhr, um später dann mit Blick auf die WM die noch nötigen Punkte zu sichern.

Keinen Druck innerhalb des Teams, keine Konkurrenz von außen: Hamilton wusste wohl ziemlich frühzeitig in diesem Jahr, dass er am Ende sowieso oben stehen würde. Und mit dieser Sicherheit im Rücken lässt es sich bekanntlich leichter fahren. Die Fehlerquote sinkt.

Während ein von Leclerc getriebener Vettel zeitweise eher mit groben Patzern auf sich aufmerksam machte denn mit schnellen Rundenzeiten, spulte Hamilton einen Führungskilometer nach dem anderen ab. Zehn Saisonsiege hat er jetzt auf seinem Konto, wirklich darum kämpften musste er aber kaum einmal.

Um nur einige Beispiele zu nennen: Bei seinem ersten Sieg in Bahrain etwa profitierte Hamilton von Ferraris fehlender Standfestigkeit, als Leclerc in Führung liegend langsam wurde. In Großbritannien kam das Safety Car genau zum richtigen Zeitpunkt auf die Strecke und in Russland schenkte Ferrari ihm mit Vettels Ausfall indirekt den Sieg. Müßig außerdem zu erwähnen, dass er in China, Spanien und Co. im mit Abstand besten Auto saß.

Lewis Hamilton hat ein Ziel: Michael Schumachers Rekorde

Das alles soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Superstar der Szene dennoch einen starken Job gemacht hat. Er bringt nach wie vor eines der besten, wenn nicht das beste Gesamtpaket als Fahrer mit. Liegt er einmal in Führung, ist er dort fast nicht wegzubekommen - allein das ist eine Qualität für sich. Hamilton nutzt nahezu jede Gelegenheit, die sich ihm bietet. Und das mit einer Konsequenz, die ihresgleichen sucht.

Nur die Momente, in denen er das in diesem Jahr zeigen konnte, sind eben rar gesät. Häufig machten es ihm seine Gegner wie beschrieben zu einfach.

Damit - das muss man dazu sagen - ist er aber nicht alleine. Schließlich hat auch ein Michael Schumacher seine Rekordzahl von 91 Siegen und sieben Weltmeistertiteln dank schwächelnder Konkurrenz und einem auf ihn ausgerichteten Team erreicht.

Insofern wird es Hamilton wenig stören, dass er auch in dieser Saison den leichten Weg gehen durfte. Sein Ziel sind Schumacher und dessen Bestmarken. Er will als erfolgreichster Formel-1-Fahrer aller Zeiten in die Geschichte eingehen - und macht es ihm die Konkurrenz 2020 wieder so leicht, wird er das auch schaffen. Ohne Tadel. Und ohne die ganz große Imposanz.

Die Formel-1-Fahrer mit den meisten WM-Titeln

WM-TitelFahrerNationJahr
7Michael SchumacherDeutschland1994, 1995, 2000 - 2004
6Lewis HamiltonEngland2008, 2014, 2015, 2017 - 2019
5Juan Manuel FangioArgentinien1951, 1954 - 1957
4Alain ProstFrankreich1985, 1986, 1989, 1993
4Sebastian VettelDeutschland2010 - 2013
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