Kai Ebel im Interview: "Formel 1 ist so oberflächlich wie unsere Gesellschaft"

Kai Ebel mit seiner Frau Mila Wiegand in Monaco.
© imago
Cookie-Einstellungen

Gibt es ein Interview in Ihrer Laufbahn, das Ihnen besonders peinlich ist?

Ebel: Ich dachte mal, dass ich Rocco Siffredi, diesen Pornostar aus Spitzenfilmen für Erwachsene, interviewe. In Wirklichkeit habe ich da aber mit einem - man achte darauf - Stabhochspringer aus dem ehemaligen Jugoslawien gesprochen. Man könnte also einen gewissen Zusammenhang zwischen beiden Personen herbeischreiben. (lacht) Die Verwechslung ist aber bis auf einen aufmerksamen Zuschauer, der mir geschrieben hat, Gott sei dank niemandem aufgefallen.

Als Sebastian Vettel 2010 das erste Mal Weltmeister wurde, hat Ihnen dessen Vater Norbert auf der WM-Party die Hose zerrissen. Wie kam es dazu?

Ebel: Norbert stand plötzlich hinter mir, zog an meiner Tasche herum und riss meine Hose in zwei. Ich muss aber dazu sagen, dass er das vorher angekündigt hatte: 'Wenn mein Sohn Weltmeister wird, zerreiß isch dir de Buchs'.

Welche Erlebnisse sind Ihnen noch besonders im Kopf geblieben?

Ebel: Zum Beispiel die Anreise zu einem unserer ersten Auftritte in Magny-Cours. Damals haben in Frankreich die LKW-Fahrer gestreikt und alle Straßen gesperrt. Wir als Formel-1-Neulinge mussten natürlich trotzdem irgendwie von Paris zur Strecke kommen. Als wir dann gesehen haben, wie alles gesperrt war, haben wir erst an einen Atomunfall gedacht. Man musste dann improvisieren, durch Wälder und über Landstraßen nach Magny-Cours finden. Besonders kreativ war das japanische Fuji-TV-Team, das in einem Krankenwagen angereist ist. Völlig verrückt.

schumi
© getty

Ebel über Schumi, Typen in der Formel 1 und die neue Saison

Sie sagten mal, dass Michael Schumacher Ihr persönlicher Held ist. Er galt auf der Strecke als extrem ehrgeizig, konsequent und hart. Wie haben Sie ihn privat kennengelernt?

Ebel: Er war immer höchst professionell und hatte nur ein Ziel vor Augen. Alles, was im Weg stand, musste dafür zur Seite. Er war aber mit Sicherheit nie arrogant. Dass ihm das viele immer wieder unterstellt haben, ist völliger Quatsch. Das Fahrerlager war nun mal sein Arbeitsplatz, auf dem er überhaupt nicht abgeschaltet hat. Privat war er ganz anders. Und ich glaube, er ist nach seinem endgültigen Karriereende in seinem neuen Leben irgendwann richtig angekommen. Dass ausgerechnet dann dieser Unfall passierte, ist besonders bitter.

Immer wieder wird bemängelt, dass der heutigen Formel 1 "Typen" fehlen. Mit Recht?

Ebel: Nein. Jungs wie Hülkenberg oder Verstappen haben Charisma und gerade ein Hamilton ist, egal, was die Leute sagen, definitiv ein Typ. Einen Tag ist der Politiker, den anderen Umweltschützer, dann Komponist, Model, Designer und bei allem nebenbei noch Rennfahrer und Botschafter für irgendwas. Bei aller Liebe, man kann nicht sagen, dass er langweilig ist.

Wie erklären Sie sich dann diesen Ruf nach Charakterköpfen, wie es zum Beispiel Niki Lauda und James Hunt waren?

Ebel: Die Fahrer damals waren natürlich schon anders drauf. Da hat niemand so einen Schwachsinn gemacht wie in Singapur und gesagt, wir bleiben jetzt in der europäischen Zeitzone. Die haben in der Startaufstellung auch kein Müsli und keine Pellkartoffeln gegessen. Da muss man sich nur den Unterschied zwischen Vater und Sohn Rosberg angucken. Keke stand am Abend vor dem Rennen noch mit einem Glas Champagner und einer Zigarre in den Händen auf der Straße, während Nico in der Startaufstellung Pellkartoffeln gegessen hat, damit er die Energie beim Start freisetzen kann. Es geht heutzutage aber um mehr Geld. Die Sponsoren möchte man nicht enttäuschen, deswegen sagt man lieber nichts als etwas Falsches. Das sieht man auch im Fußball. Es ist immer schwierig, die verschiedenen Zeiten miteinander zu vergleichen.

rosberg-med
© getty

Kommen wir auf die neue Saison zu sprechen. Bei den Winter-Testfahrten machte Mercedes den im Vergleich zu Ferrari langsameren Eindruck. Dürfen sich die Formel-1-Fans auf ein neues Kräfteverhältnis freuen?

Ebel: Da ist natürlich immer viel Schattenboxen bei, aber Ferrari scheint sich zumindest nicht verzockt zu haben. Auch der Honda-Motor ist wirklich gut, daher rechne ich mit einem Dreikampf. Bei Mercedes wird es Hamilton sein, bei Red Bull Verstappen. Bei Ferrari muss Sebastian erst einmal Charles Leclerc aus dem Weg räumen. Der hat es innerhalb des Teams am schwersten. Da darf man also gespannt sein.

Zum Abschluss eine kleine Prognose: Werden Vettel oder Hamilton Schumachers Rekord von sieben WM-Titeln knacken?

Ebel: Ich glaube nicht. Das ist eine zu große Zahl für beide. Und Verstappen wird da auch etwas gegen haben.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema