Formel 1 - Vettel und Ferrari mit Japan-Pleite: Haste Scheiße am Rad, haste Scheiße am Rad

Sebastian Vettel wurde beim Großen Preis von Japan Sechster.
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Erst das desolate Qualifying, dann ein Rennen zum Vergessen: Sebastian Vettel und Ferrari haben beim Großen Preis von Japan weiter Boden auf Lewis Hamilton verloren. Während bei Mercedes alles nach Plan läuft, rennt die Scuderia von einem Misserfolg zum nächsten. Fahrfehler, Taktik-Patzer und technische Rückschritte ergeben das Bild der Niederlage.

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67 Punkte fehlen Sebastian Vettel nun auf Lewis Hamilton. Theoretisch ist der WM-Titel für den Ferrari-Piloten damit noch möglich, doch schon beim anstehenden US-GP könnte aus der Theorie Utopie werden und die Entscheidung zugunsten des Mercedes-Piloten fallen.

Entsprechend übt sich selbst Maurizio Arrivabene nach dem Großen Preis von Japan nur noch im Zweckoptimismus. "Natürlich", gab der italienische Teamchef zu, "sieht die Situation aussichtslos aus. Aber es ist unser Job, das Unmögliche möglich zu machen. Das versuchen wir bei den nächsten vier Grands Prix."

Es wird wohl beim Versuch bleiben. Aus Ferrari-Sicht ging in diesem Herbst nämlich schief, was nur schief gehen konnte. Das Motto von Fußball-Philosoph Andreas Brehme, "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß", nahmen die Roten offenbar sehr ernst und wandelten es ungewollt in den passenden Formel-1-Jargon ab: Haste Scheiße am Rad, haste Scheiße am Rad.

Vettels und Hamiltons Ergebnisse seit der Sommerpause

Grand PrixSebastian VettelLewis Hamilton
Japan6.1.
Russland3.1.
Singapur3.1.
Italien4.1.
Belgien1.2.

Ferraris Quali-Desaster: Maurizio Arrivabene "sehr wütend"

An diesem Wochenende ging das Fiasko schon im Qualifying los. Während sich die Konkurrenz trotz drohenden Regens ausnahmslos für Slicks entschied, setzte man bei Ferrari - fatalerweise - auf Intermediate-Reifen. Der Himmel öffnete erst seine Schleusen, als es für Vettel und Kimi Räikkönen schon zu spät war. Und so qualifizierten sich die beiden Fahrer nur auf Position acht und vier - inklusive Ausrutscher und Dreher.

"Es ist inakzeptabel, was heute passiert ist", tobte Arrivabene anschließend: "Ich bin sehr wütend. Es ist nicht das erste Mal, dass solche Fehler passieren. Ich möchte nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen. Aber ich bin sehr enttäuscht."

Tatsächlich patzte die Strategieabteilung in dieser Saison schon des Öfteren. In Singapur wählte der Kommandostand eine falsche Taktik, im Monza-Qualifying und beim Großen Preis von Deutschland ging man ebenfalls nicht den schnellsten Weg.

Ferraris Power-Vorteil ist plötzlich weg

Hinzu kommt, dass Ferrari in der entscheidenden Saisonphase massiv an Tempo gegenüber Mercedes eingebüßt hat. Noch vor wenigen Monaten war von ominösen Tricks die Rede, die dem roten Renner auf dem zweiten Drittel der Geraden extra Leistung schenkte und im Geschwindigkeitsbereich von 180 bis 260 km/h einen Zeitgewinn von knapp einer halben Sekunde brachte.

Alle Welt rätselte, woraus Ferrari diese Zusatz-Power speiste. War es ein geheimer Energiespeicher? Eine individuelle Kühlung des Sprits? Eine besondere Benzin-Einspritzung oder eine Ölzufuhr im Verbrennungsprozess? Es gab und gibt viele Theorien. Fakt ist nur, dass die FIA Ferraris Methoden stets als legal bewertete.

Und: Dass Ferrari als einziges Team den Energiespeicher mit zwei Batterien koppelt. Um verbotene Kniffs daher definitiv auszuschließen, ließ der Weltverband einen zweiten Sensor einbauen. Wann genau dieser Schritt eingeleitet wurde, ist nicht bekannt. Auffällig ist aber, dass Vettel und Räikkönen der Power-Vorteil seit dem Singapur-GP abhanden gekommen ist. "Das sehen wir ganz klar an unseren GPS-Messungen", bestätigte Renaults Teamchef Cyril Abiteboul bei auto, motor und sport.

Einen Zusammenhang zwischen dem zusätzlichen Sensor und dem plötzlichen Pace-Nachteil gegenüber Mercedes, das in Person von Hamilton jedes der letzten vier Rennen gewonnen hat, weist Arrivabene jedoch zurück: "Das hat mit der Leistung unseres Autos gar nichts zu tun. In Singapur waren wir auf den Geraden schneller als Mercedes. In Russland lagen wir mehr oder weniger auf einem Niveau. Wir haben die Zeit vor allem in den langsamen Kurven verloren."

vettel
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Lewis Hamilton in Gala-Form - Sebastian Vettel schwächelt

So oder so sind die Silberpfeile, bei denen die jüngsten Upgrades allesamt ein Treffer ins Schwarze waren, mittlerweile enteilt. Dazu weiß die Mannschaft von Motorsportchef Toto Wolff auch noch einen Hamilton in Gala-Form in ihren Reihen. "Lewis ist unter Druck einfach richtig gut", lobte der Österreicher seinen Schützling am Sonntag gegenüber RTL für dessen fehlerlosen Vorstellungen.

Von dieser Unantastbarkeit kann Vettel aktuell nur träumen. Immer wieder schleichen sich beim Heppenheimer kleinere oder größere Fehler ein. Unvergessen sein Abflug beim Deutschland-GP, zudem kollidierte er in Monza mit Hamilton und kam mit den schwierigen Bedingungen in der Suzuka-Quali schlechter als Räikkönen klar. Das i-Tüpfelchen folgte dann am Sonntag mit dem verhängnisvollen Zweikampf mit Max Verstappen.

Vettel sah die Schuld zwar nicht bei sich, mindestens risikoreich war die Attacke aber allemal. "Das ist keine Kurve, in der man sich innen daneben schiebt", kritisierte beispielsweise Sky-Experte Anthony Davidson den viermaligen Weltmeister: "Er war derjenige, der die Kollision ausgelöst hat."

Es sind also viele Faktoren, die das frisch auf den SF71H lackierte Motto "Winnow" von Hauptsponsor Philip Morris in gewisser Weise ad absurdum führen und dem Weltmeisterschaftskampf die Spannung rauben. Vettel lässt das frustriert zurück, auch wenn er von öffentlichen Vorwürfen gegen sein Team, bei dem er noch bis 2020 unter Vertrag steht, Abstand hält.

"Wir haben großartiges Potenzial, auch wenn die letzten Wochen hart waren. Der Spirit ist unglaublich", will er von möglichen Abwanderungsgedanken nichts wissen: "Ich verlasse Ferrari nicht. Ich bin ein Teil des Teams, nichts anderes möchte ich sein."

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