Bernie Ecclestone liebt die ganz derben Scherze. In seinem Büro in Londons bester Lage liegt auf dem Couchtisch eine Handgranate. "Es war noch nicht der richtige Besucher da, um sie zu zünden", sagte der Brite einmal und lächelte sein berühmtes Lächeln, das stets eine Mischung aus Überheblichkeit und Unantastbarkeit verrät. Rund 40 Jahre lang perlte an dem umstrittenen Strippenzieher der Formel 1 tatsächlich alles ab - doch nun wird der 86-Jährige wohl in den Ruhestand gezwungen.
Wie BBC, Times und Sky Sport übereinstimmend berichten, muss "Mr. E" auf Druck des designierten neuen Eigners Liberty Media noch in dieser Woche seinen Posten als Geschäftsführer der Königsklasse räumen. Es wäre alles andere als ein triumphaler Abgang für Ecclestone, der immer wieder betonte: "Rente ist nichts für mich." Nicht einmal der Zeitpunkt liegt in seinen Händen. Er dürfte allein davon abhängen, wann in letzter Instanz die EU-Wettbewerbshüter dem rund sieben Milliarden Euro schweren Deal zustimmen.
Dann wird Liberty Media seine umfangreiche Blutauffrischung starten, deren prominentes Opfer der stets zwischen Genie und Wahnsinn balancierende kleine, große Mann der Formel 1 sein wird. Es darf bezweifelt werden, ob der 1,59 m kleine Brite das vermeintliche "Abschiedsgeschenk" annimmt, das ihm angeblich angeboten wurde: die Formel-1-Ehrenpräsidentschaft. Klingt gut, sieht nett aus auf der Visitenkarte, ist aber letztlich ein Posten ohne jegliche Macht und deswegen nicht nach dem Geschmack des "Paten".
Ecclestone, der Unkaputtbare?
Dabei schien Ecclestone unkaputtbar zu sein. Selbst die Anklage wegen Anstiftung zur Untreue und Bestechung in besonders schwerem Fall vor der deutschen Justiz 2014 konnte dem Engländer nichts anhaben. Ecclestone zahlte damals 100 Millionen Dollar, das Verfahren wurde eingestellt, Ecclestone machte weiter.
Aus seinen extravaganten Geschäftsmethoden hat der ehemalige Gebrauchtwagenhändler aber nie einen Hehl gemacht. "Wir sind nicht so etwas wie die Mafia, wir sind die Mafia", sagte Ecclestone einst. Seit den 1970er Jahren hielt er in der Formel 1 die Fäden in der Hand und verwandelte den PS-Zirkus in ein milliardenschweres Unternehmen und eine der profitabelsten Sportveranstaltungen der Welt.
"Mr. E" als Geldquelle
Im Fahrerlager war "Mr. E" an vielen Ecken bis zuletzt genau deswegen beliebt, Ecclestone machte viele Menschen in der Formel 1 zu Millionären. Und die schätzten seine Arbeit. Doch auch der Gegenwind wurde zuletzt immer schärfer. Dafür sorgten nicht zuletzt seine ungleiche Geldverteilung an die Teams und ein Geschäftsmodell, das mehrere Traditionsrennstrecken aus dem Kalender trieb. Auch im Kampf um junge Fans hat die Formel 1 zunehmend Nachholbedarf, Stichwort Social Media.
Trotz allem waren bis zuletzt einige davon überzeugt, dass die Formel 1 Ecclestone zum Überleben braucht. Der "Herr der Räder", der schon in der Schule Bleistifte und Radiergummis an seine Mitschüler verhökerte, generierte eben lange Zeit frisches Geld und erschloss neue Märkte. Zudem baute er in vier Jahrzehnten ein kompliziertes Geflecht aus Geschäftsbeziehungen auf, die neuen Chefs müssen sich hier erst zurechtfinden.
Mit seinem legendären Geschäftssinn hat Ecclestone die Formel 1 zu dem gemacht, was sie heute ist - zu seinem Lebenswerk. Das Ende seiner Ära ist nun dennoch eine große Chance für die Königsklasse. Mögliche Nachfolger werden ebenfalls seit Monaten gehandelt. Die Vermarktung der Serie könnte künftig der frühere ESPN-Chef Sean Bratches übernehmen, Michael Schumachers langjähriger Weggefährte Ross Brawn eine wichtige Rolle in der sportlichen Entwicklung der Formel 1 spielen.