Ein königliches Wunderkind

Von Max Marbeiter
Mit 16 ist Luka Doncic (l.) bereits Teil von Real Madrids erster Mannschaft
© getty

Luka Doncic debütierte für Real Madrid so früh wie niemand zuvor. Und das aus gutem Grund: Der Slowene gilt als eines der größten Talente im europäischen Basketball, wird mit Ricky Rubio verglichen und nahm sich Nikola Mirotic zum Vorbild. SPOX stellt das Wunderkind vor.

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Ein kurzes Grinsen konnte sich Luka Doncic nicht verkneifen. Sekunden nach seiner Einwechslung hatte er sich rechts in der Ecke platziert. Sergio Rodriguez war zum Korb gezogen und hatte Doncic gesehen. Ein Pass. Ohne zu zögern stieg Doncic hoch, ließ sich auch von der Hand im Gesicht nicht verunsichern - und schon rutschte der Dreier butterweich durch die Reuse. Das Barclaycard Center drehte durch. Doncic grinste.

16 Jahre und 2 Monate war er alt, als er im April 2015 sein Debüt in Spaniens ACB feierte, als er nur Sekunden nach seiner Einwechslung direkt von draußen traf - und Geschichte schrieb. Denn nie zuvor hatte Real Madrid einen jüngeren Spieler mit der ersten Mannschaft aufs Parkett geschickt. Gesamthistorisch reihte sich Doncic damit direkt hinter Ricky Rubio (14 Jahre und 11 Monate) und Angel Rebolo (15 Jahre und 3 Monate), den beiden jugendlichen Rekordhaltern Spaniens, ein.

Eine schöne Auszeichnung. Einzig positive Seiten haben derart frühe Debüts allerdings nicht. Sie schüren auch Erwartungen. Wer derart jung in der zweitbesten nationalen Basketballliga des Planeten debütiert, muss schließlich etwas Besonderes an sich haben. Das dachten alle von Rubio, der mittlerweile tatsächlich in der NBA spielt. Das dachten allerdings auch viele von Rebolo, der 1991 angesichts des Drucks und der gesteigerten Aufmerksamkeit schnell eine Auszeit vom Basketball suchte - und nie zurückkehrte.

Von Wunderkind zu Wunderkind

Und selbstverständlich denken das auch viele von Luka Doncic, den die Marca bereits als "Wunderkind" betitelte. Auch der Vergleich mit Rubio ist bereits gezogen. Von Wunderkind zu Wunderkind, gewissermaßen. Das sei natürlich großartig, sagt Doncic selbst. Rubio sei schließlich "ein großartiger Spieler. Ich mag in sehr."

Abgesehen vom so gern ausgesprochenen Versprechen, "jeden Tag hart zu arbeiten", ist vom jungen Flügelspieler allerdings nicht viel zu vernehmen. Wie viele spanische Klubs verfolgt Real nämlich auch die Idee des öffentlichen Rarmachens, bis ein Spieler das 18. Lebensjahr vollendet hat. Aus gutem Grund. Einen 16-Jährigen muss man schließlich nicht zwingend der nicht immer wohlwollenden, objektiven oder gar zurückhaltenden Medienlandschaft aussetzen.

Mirotic als Wechselgrund

Ideen wie diese waren am Ende dann auch ausschlaggebend, dass sich Familie Doncic 2012 für einen Wechsel von Olimpia Ljubljana nach Madrid entschied. Ideen wie diese und ein prominentes Vorbild. "Wir hatten viele Angebote, hatten aber im Kopf, wie es bei Nikola Mirotic lief", erklärt Lukas Vater Sasa. "Er hat mich glauben lassen, dass es eine gute Idee ist, Luka nach Madrid wechseln zu lassen. Diese Leute arbeiten einfach sehr gut mit jungen Spielern."

Anders als Doncic war Mirotic bei seinem Debüt für Real zwar bereits volljährig, Parallelen finden sich dennoch. Wie Mirotic stammt Doncic vom Balkan. Der eine aus Montenegro, der andere aus Slowenien. Und wie bei Mirotic hat auch in Doncic' Fall ein enges Familienmitglied nicht unwesentlichen Anteil an der späteren Berufswahl.

Den heutigen Chicago Bull überzeugte sein Großvater, doch endlich mit dem Basketball zu beginnen. Der Königliche erhielt bereits in ganz frühen Jahren Anschauungsunterricht vom Papa. Sasa Doncic spielte selbst jahrelang in Sloweniens höchster Liga, gewann dort zwei Mal die Meisterschaft und beruhigte ganz nebenbei seinen Sprössling.

Nur beim Basketball nicht geweint

"Luka kam als Kind immer zu meinen Spielen", erzählt Doncic Senior. "Zum ersten Mal, als er drei Jahre alt war. Das wusste er nicht, aber er hat damals nicht geweint, so lange das Spiel lief. Vielleicht hat er es bereits genossen."

Ob es Luka damals bereits tat oder nicht - mittlerweile dürfte er das Spiel definitiv genießen. Erfolg vermag die Freude an einer Sache schließlich deutlich zu potenzieren. Und Erfolg gehört zur noch jungen Karriere des Luka Doncic wie der latente Wandel zwischen grenzenloser Selbstsicherheit und Arroganz zum Spiel des Rudy Fernandez.

Da wäre beispielsweise ein Nachwuchsturnier in Slowenien, bei dem er in drei Spielen 35,3 Punkte sowie 7,6 Rebounds auflegte und neben 57 Prozent von draußen sehr respektable 81 Prozent seiner Zweier traf. Zugegeben, mit Rumänien, Tschechien und Polen standen Doncic keine Gegner der allerersten Kategorie gegenüber, wer in 15 Minuten 34 Punkte und 9 Rebounds sammelt wie Doncic gegen Rumänien, dem darf aber durchaus eine gewisse Gabe angedichtet werden.

Unter Älteren, und dennoch MVP

Der Flügel ragt unter seinen Altersgenossen heraus. Doch nicht nur dort. Mit Reals Nachwuchs nahm Doncic in diesem Jahr am Adidas Next Generation Tournament teil - bei dem ein Großteil der Mit- und Gegenspieler zwei Jahre älter waren als er selbst. Aufgefallen ist Doncic dennoch. Beim Final-Qualifikationsturnier in L'Hospitalet wurde er dank 13 Punkten, 7,2 Rebounds, 4,4 Assists und 1,8 Steals im Schnitt sogar ins All-Tournament Team gewählt.

Noch besser wurde es beim Finalturnier im Rahmen des Euroleague-Final-Four in Madrid. Dort gewann Doncic mit Real nicht nur den Titel, er wurde zudem zum MVP gewählt, als 16-Jähriger unter größtenteils 18-Jährigen. Selbstverständlich kann der geneigte Medienvertreter da kaum widerstehen, umgehend wieder die Geschichte vom Wunderkind auszugraben.

Zumal Doncic' Spiel diverse Anhaltspunkte für Chancen auf eine große Karriere liefert. So spielt er eigentlich auf dem Flügel, übernahm während des ANGT in Madrid jedoch häufig den Ballvortrag. Und das durchaus effektiv. Natürlich war auch der eine oder andere unnötige Ballverlust dabei, dennoch überwogen die positiven Aspekte.

Vielseitige Offense

Doncic bestätigte all jene, die ihm überdurchschnittliche Fähigkeiten attestieren. Weder ließ er sich von Double-Teams aus der Ruhe bringen, noch überdrehte er beim Fastbreak. Doncic besitzt ein sehr gutes Auge für die Situation, seine Courtvision lässt ihn offene Mitspieler auch aus größerer Entfernung finden. Sein gutes Timing den Pass auch ankommen. Dazu findet er aus dem Pick'n'Roll heraus regelmäßig den in Richtung Ring abrollenden Big Man.

Überhaupt beherrscht Doncic die Facetten des Duetts aus Blocken und Abrollen bestens. Dank geschickter Geschwindigkeitswechsel und Hesitation-Dribbles verschafft er sich den nötigen Raum für den Pass oder den eigenen Zug zu Korb. Dort angekommen, schließt Doncic auch mit Kontakt verlässlich ab.

Vom Drive abhängig ist er deshalb allerdings nicht. Vielmehr nennt Doncic einen mehr als verlässlichen Wurf sein Eigen, den er bis zwei Meter hinter die Dreierlinie zu treffen vermag. So ist er nicht darauf angewiesen, eigene Würfe als Ballhandler selbst zu kreieren, auch als Spot-Up-Shooter ist der Slowene zu gebrauchen. Als Verteidiger ebenso.

Nicht ganz perfekt

Eine Klette der Kategorie Jimmy Butler ist Doncic zwar nicht, das Eins-gegen-Eins verteidigt er jedoch aktiv, setzt seinen Gegenspieler mitunter effektiv unter Druck. Dass er zudem ein gutes Gespür für den Rebound besitzt und häufig gut steht, rundet das positive Gesamtbild ab.

Alles perfekt also? Nicht ganz. Im Spiel eines 16-Jährigen lassen sich Fehler nun mal nur schwer vermeiden. So wirkt Doncic hin und wieder etwas teilnahmslos und behäbig. Kräftig ist er, allerdings kein großer Athlet, was ihm defensiv hin und wieder Probleme bereitet. Die diversen Kinesiotapes, die Doncic' Körper schmücken, mögen den einen oder anderen vor Sorge beinahe verrückt werden lassen, am Ende sind sie allerdings auch nur reine Vorsichtsmaßnahme.

Beim ANGT hielt Doncic jedenfalls problemlos durch und setzte sich nach einem knappen Finale gegen Roter Stern Belgrad, in dem ihm Aleksandar Aranitovic ein Stück des Scheinwerfers klaute, Europas Nachwuchskrone auf. Entsprechend groß war die Freude, entsprechend ausgelassen die Stimmung.

Mit 16 spanischer Meister

Sogar Real-Präsident Florentino Perez ließ es sich nicht nehmen, das Finale direkt vor Ort zu verfolgen und sonnte sich nach getaner Arbeit ein wenig im Erfolg seines Nachwuchses. Was kann schließlich schöner sein als ein Erfolg auf höchster Ebene? Richtig, Erfolg auf höchster Ebene mit der ersten Mannschaft.

Und den hatte Real in dieser Saison zuhauf. Dem Pokalsieg ließen die Madrilenen den Titel in Euroleague und heimischer Liga folgen. Man sicherte sich das Triple. Mittendrin: Luka Doncic. Das Spiel gegen Malaga war nämlich nicht Doncic' letztes an der Seite von Sergio Rodriguez, Rudy Fernandez und Felipe Reyes. Auch während der Playoffs kam er zum Einsatz, durfte sich damit auch auf dem Meisterfoto verewigen. Und schon lächelte das Wunderkind erneut.

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