Wie Heiko Vogel Liverpools Mohamed Salah zum FC Basel lockte: "Die Videos waren unfassbar"

Vogel holte Salah einst zum FC Basel
© GEPA

Ansatzlos dreht sich Mohamed Salah am Elfmeterpunkt um die eigene Achse und schiebt die Kugel flach und humorlos ins kurze Eck. Brighton-Keeper Mathew Ryan hatte nichts falsch gemacht, der Schuss ist schlicht zu platziert. Jürgen Klopp fletscht zwar die Zähne und ballt seine Faust, der Jubel fällt für sein Temperament aber verhalten aus. Kein Wunder: Eine Szene wie diese sah der Liverpool-Coach in dieser Saison schon 44 Mal. So oft traf Salah in allen Bewerben. Macht der Gewohnheit, ein Salah-Tor überrascht in diesen Tage wie Sonne im Juli.

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Dabei war das 32. Liga-Tor des Ägypters gegen Brighton eines für die Geschichtsbücher: Seit sich die höchste englische Liga auf 38 Spieltage aufteilt, waren Alan Shearer (1995/96 für Blackburn Rovers), Cristiano Ronaldo (2007/08 für Manchester United) und Luis Suarez (2013/14 für Liverpool) bislang mit je 31 Toren Rekordträger. Nun sitzt Salah alleine am Thron - und keiner hätte es vor Saisonbeginn für möglich gehalten.

War der 42-Millionen-Euro-Neuzugang von der Roma im Vorsommer für Experten noch eine clevere, aber happige Akquisition, hallt nun Woche für Woche zur Melodie des 90er-Pophits "Sit down" die adaptierte Version "Egyptian King" von den Rängen der Anfield Road. Der sonst selten durch Populismus auffallende Steven Gerrard bezeichnete Salah als "besten Spieler des Planeten" und Klopp weiß: Salah ist vor dem Champions-League-Finale gegen den defensivstarken Titelverteidiger Real Madrid ein Schlüssel zum Henkelpott.

Mohamed Salah: Tapes aus Kolumbien

Während den Reds ob der Salah-Verpflichtung freilich Lob gebührt, finden sich die Entdecker des 25-Jährigen anderswo. Sportdirektor Georg Heitz und Trainer Heiko Vogel holten Salah im Sommer 2012 für etwas mehr als zwei Millionen Euro vom ägyptischen Durchschnittsverein Arab Contractors zum FC Basel. Salah spielte Monate zuvor bei der U20-Weltmeisterschaft in Kolumbien seinen Gegenspielern Knoten in die Beine, die Tapes von seinen Auftritten fielen den Verantwortlichen der Basler in die Hände. Heitz und Vogel, die seit Wochen nach einem Nachfolger für Xherdan Shaqiri fahndeten, konnten ihr Glück kaum fassen, als Salahs Berater Interesse an einem Wechsel signalisierte.

Heute trainiert Heiko Vogel (äußerst erfolgreich) den SK Sturm. Im Interview mit SPOX erinnert sich der frisch gebackene Cup-Sieger und Vizemeister an seinen ersten Cheftrainer-Job und einen besonderen Transfer zurück.

SPOX: Sie wurden im Dezember 2011 Cheftrainer des FC Basel, ein halbes Jahr später dockte Mohamed Salah aus Ägypten an. Wie wurden Sie auf Salah aufmerksam?

Heiko Vogel: Sportdirektor Georg Heitz kam mit einem Videotape zu mir und sagte: ‚Heiko, schau dir mal diesen Spieler an.' Die Videoszenen waren wirklich unfassbar. Und dann sagte er: ‚Das Schönste ist, dass Momo (Salah, Anm.) auch zum Probetraining kommt.' Das war ja noch besser. Heitz und ich haben dann ein intensiveres Videostudium betrieben und waren uns schnell sicher, dass wir diesen Spieler verpflichten wollen.

Wir haben Momo und seinen Berater etwas später vom Flughafen abgeholt und im Hotel sondierende Gespräche geführt. Schon da haben wir ihm mitgeteilt: ‚Ey, es freut uns echt, dass das klappt und du zu uns kommst.' Bei den ersten Einheiten im Probetraining hatte Momo einen Jetlag, aber ab dem dritten Tag war er unfassbar. Für ihn war klar, dass er den Schritt nach Europa machen wollte. Er war immer ganz klar in seiner Vision und was er für seine Karriere wollte. Damals war er 20 Jahre alt, ich fand das erstaunlich und charakterfest. Wir haben uns enorm gefreut, dass wir ihn für uns gewinnen konnten. Er war ja dann eigentlich ein Schnäppchen. Sehr günstig eingekauft, sehr teuer weiterverkauft (2014 für 17 Millionen Euro zum FC Chelsea, Anm.).

Heiko Vogel: "Noch wertvoller sind seine menschlichen Eigenschaften"

SPOX: Wie erinnern Sie sich an den Typen Salah?

Vogel: Er hat herausragende Schnelligkeit und im Abschluss mit seinem linken Fuß eine unfassbare Effizienz. Das war schon damals unübersehbar und darum haben wir uns auch dazu entschieden, ihn nach Basel zu holen. Noch viel wertvoller sind für mich aber seine menschlichen Eigenschaften. Er war von Anfang an ein sehr neugieriger, wissbegieriger, offener Mensch, der mit offenen Ohren und Augen durch die Welt ging. Das war für mich immer das größte Faszinosum an ihm. Man trifft selten so offene Menschen und ich bin davon überzeugt, dass ihn sein Charakter dorthin gebracht hat, wo er jetzt steht. Er ist einer der besten Stürmer der Welt.

SPOX: Salah dürfte sich kaum verändert haben - mittlerweile ist seine Bodenständigkeit Kult.

Vogel: Da gibt es nur ein Wort: Ja. Sein Erfolg hat ihn kein bisschen verändert.

SPOX: Wie hat sich Salah damals eingelebt?

Vogel: Er kam als sehr junger Spieler und uns war schnell klar, dass er für eine große Karriere alles mitbrachte. Leider war es am Anfang dennoch etwas schwierig. Er konnte sein erstes Pflichtspiel gegen St. Gallen bestreiten, aber danach ist er sofort zur Olympiaauswahl nach London abgereist und hat dort einen Erfolg nach dem anderen verbucht. Sie kamen bis ins Viertelfinale, er traf in vier Spielen dreimal. Ich habe ihn schmerzlich vermisst. Aber das Zugeständnis musste ich machen, Olympia ist besonders.

Heiko Vogel: "Habe nicht geglaubt, einen künftigen Weltfußballer zu verpflichten"

SPOX: Sie haben die "große Karriere" angesprochen. Kam Ihnen jemals der Gedanke, dass Salah einmal als möglicher Weltfußballer gehandelt werden würde?

Vogel: Ich habe definitiv nicht geglaubt, einen künftigen Weltfußballer zu verpflichten. Daran denkt man ja auch in dem Alter nicht. Aber wir haben in Momo unglaubliches Potenzial gesehen. Zum Verlauf seiner Karriere gehören dann auch noch günstige Konstellationen und Fügungen, die ineinander greifen. Ich glaube so eine Weltkarriere ist nicht planbar, dafür gibt es zu viele hochtalentierte Spieler. Aber mich freut seine Karriere enorm, ich habe seine Entwicklung immer verfolgt. Es spricht zwar für uns, dass wir sein Potenzial erkannten, dass er es aber so ausspielt, spricht nur für Momo selbst.

SPOX: Für Gerrard ist er der Beste der Welt. Kann er schon in einem Atemzug mit Messi gehandelt werden?

Vogel: Den Vergleich finde ich grundsätzlich sehr schwierig. Der Unterschied ist, dass Ronaldo und Messi das schon seit einem Jahrzehnt machen, Salah seit dieser Saison. Aktuell würde ich aber mit Sicherheit sagen, dass er mit den beiden auf einer Ebene ist.

SPOX: Denken Sie, dass Salah auch enorm von Jürgen Klopps Spielsystem und Mitspieler Firmino profitiert?

Vogel: Er hat grundsätzlich die Fähigkeiten, in jedem Topteam zu glänzen. Aber Kloppo hat eine unglaublich gute Selektion an Spielern, die ideal in seine Vision passen. Er hat mit Mane und Firmino zwei physisch starke Spieler, alle drei sind extrem schnell und sie suchen regelmäßig überfallsartig den Weg zum Tor. Zudem harmonieren die drei sehr gut. Tolle Spieler. Momo kann in jeder Mannschaft glänzen, aber es ist auch Kloppo zuzuschreiben, dass er ihn zu einer so großen Waffe macht.

SPOX: Wie hoch stehen die Chancen, dass ein Klub der Kategorie Basel noch so eine Rakete entdecken kann?

Vogel: Das gilt nicht nur für Basel, sondern auch etwa hier für Sturm: Man hat immer die Chance, so einen Spieler zu entdecken, wenn man früh dran ist. Aber solche Begegnungen basieren auch auf Zufall. Spieler werden angeboten, Spieler werden abgelehnt, weil man vielleicht vom Kader her zu ist oder die Möglichkeiten nicht hat - oft braucht es glückliche Konstellationen. Grundsätzlich ist so ein Coup noch immer möglich, aber man muss schon sagen, dass die großen Klubs mittlerweile ein sehr dichtes Scoutingnetz haben.

Mohamed Salah: Seine Karriere in Zahlen

VereinSpieleToreVorlagen
FC Liverpool514416
AS Rom833424
AC Florenz2694
FC Chelsea1924
FC Basel792024
Arab Contractors44126
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